Quasi-Hersteller im Fokus der Produkthaftung
/ Aktuelle Haftungsregelungen
Haftpflicht

In einem Urteil vom 19.12.2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Begriff des Quasiherstellers nachgeschärft und gleichzeitig die Risiken aus der Produkthaftung erweitert. Damit können Hersteller verschuldensunabhängig für Schäden verantwortlich gemacht werden.
Worum geht es?
Ein Quasi-Hersteller ist ein Unternehmen, das auf dem Markt als Hersteller eines Produkts auftritt, obwohl es dieses nicht selbst herstellt. Allerdings erweckt das Unternehmen den Anschein, der Hersteller zu sein – etwa durch das Anbringen des eigenen Namens, einer Marke oder eines anderen Kennzeichens auf dem Produkt. Dadurch entsteht für den Verbraucher der Eindruck, dass der Quasi-Hersteller der tatsächliche Hersteller des Produkts ist.
Bekannte Beispiele für Quasi-Hersteller sind Supermarktketten, die Produkte unter ihrer Eigenmarke verkaufen – die tatsächlich aber von anderen Herstellern produziert werden. Sehr häufig finden sich Quasi-Hersteller aber auch in anderen Branchen, etwa der Bekleidungsindustrie (Modeunternehmen lassen im Ausland produzieren und bringen ihr eigenes Label an), in der Elektronikbranche sowie in der Spielzeug- und Automobilindustrie. In den meisten Fällen erfolgt das Auftreten als Quasi-Hersteller aus Gründen des Marketings, einer Kostenersparnis oder einer entsprechenden Spezialisierung.
Was sind die rechtlichen Konsequenzen?
Grundsätzlich übernimmt der Quasi-Hersteller durch das Anbringen seines Namens oder seiner Marke auf dem Produkt die gleichen Pflichten und Verantwortlichkeiten wie der tatsächliche Hersteller. Dazu gehört insbesondere die Produkthaftung. Das bedeutet, dass der Quasi-Hersteller auch verschuldensunabhängig für Schäden haftbar gemacht werden kann, die durch die fehlerhaften Produkte entstehen (darüber haben wir auch in unserem Webinar zur Produkthaftung im November 2024 gesprochen). Diese verschuldensunabhängige Haftung des Quasi-Herstellers hat ihre Wurzeln in der EU-Produkthaftungsrichtlinie sowie im deutschen Produkthaftungsgesetz und gilt so seit rund 35 Jahren.
Was sind die wesentlichen Neuigkeiten aus der aktuellen Entscheidung des EuGH?
Im zugrunde liegenden Fall vor dem EuGH ging es um ein Fahrzeug der Marke Ford. Fort Italia, eine Vertriebsgesellschaft von Ford, hatte ein in Deutschland hergestelltes Fahrzeug an einen Händler in Italien geliefert. Dieses Fahrzeug wies einen Mangel auf, der zu einem Unfall führte. Der Geschädigte verklagte daraufhin Ford Italia (also nicht den Hersteller in Deutschland) auf Schadensersatz. Ford Italia wies jegliche Haftung von sich. Insbesondere käme eine Haftung als Quasi-Hersteller nicht in Betracht, da Fort Italia nicht seinen Namen an dem entsprechenden Fahrzeug angebracht habe.
Der EuGH sah das anders und bejahte eine Haftung von Ford Italia als Quasi-Hersteller. Es genüge bereits, dass Ford Italia von der Markenbekanntheit und dem Vertrauen der Kunden in die Marke „Ford“ profitiere, daher müsse das Unternehmen auch die damit verbundene Verantwortung übernehmen. Der Verbraucher würde in der Regel nicht zwischen den verschiedenen Unternehmen der Ford-Gruppe unterscheiden. Es sei ausreichend, dass die Angaben auf dem Produkt aus Verbrauchersicht übereinstimmen, um den Lieferanten haftungsrechtlich mit dem Hersteller gleichzusetzen.
Was sind die haftungsrechtlichen Konsequenzen?
Durch die Ausdehnung des Begriffs des Quasi-Herstellers kommt eine verschuldensunabhängige Haftung nach dem Produkthaftungsrecht nun auch in Frage, wenn das Unternehmen kein Erkennungsmerkmal (Name, Marke, sonstiges Erkennungszeichen) auf dem Produkt angebracht hat. Es genügt bereits, dass bei dem Verbraucher der Eindruck entstanden ist – etwa aufgrund der Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Konzern – es mit dem Hersteller zu tun zu haben. Insbesondere Vertriebsgesellschaften werden daher in Zukunft vermehrt im Fokus der Produkthaftung stehen.
Gib es Handlungsbedarf im Hinblick auf meine Haftpflichtversicherung?
Grundsätzlich sollten Vertriebsgesellschaften mit den gleichen Deckungssummen versichert sein wie die produzierende Muttergesellschaft. Nach unserer Beobachtung wurden allerdings gerade Vertriebsgesellschaften im Ausland bisher mit eher niedrigeren Deckungssummen versichert, weil das Haftungsrisiko dieser Vertriebsgesellschaften als überschaubar angesehen wurde. Wenn diese Vertriebsgesellschaften im Ausland nicht als Teil eines internationalen Haftpflichtprogramms mit den gleichen Deckungssummen wie die produzierende Muttergesellschaft ausgestattet sind (sogenannte „Stand Alone“ Policen), entspricht deren Versicherungsschutz schnell nicht mehr den nun aktuellen Haftungsrisiken.
Wichtig ist es, nun genau hinzusehen: Sind die internationalen Versicherungsprogramme auf dem neusten Stand der Produkthaftung und halten sie aktuellen Haftungsrisiken stand? Gerne analysieren unsere Haftpflicht-Experten Ihr internationales Versicherungsprogramm und prüfen es im Hinblick auf den mit den aktuellen Haftungsrisiken korrespondierenden Versicherungsschutz. Sprechen Sie uns einfach an.