Zukünftig sollen mehr Produkte repariert anstatt ersetzt werden. Das trägt sowohl zur Nachhaltigkeit als auch zur Langlebigkeit von Produkten bei. Grundlage hierfür ist die neue Richtlinie (EU) 2024/1799, die im Rahmen des „Green-Deal“-Projekts der EU-Kommission am 10. Juli 2024 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde. Es geht um das Recht auf Reparatur für Verbraucherprodukte. Das bedeutet organisatorischen Aufwand für Hersteller und Werkstätten, es lohnt sich aber auch, frühzeitig auf den Bereich Versicherungen zu blicken.
Was bedeutet die neue Richtlinie?
Ist eine gekaufte Sache mangelhaft, soll zukünftig die Reparatur anstelle der Ersatzlieferung bevorzugt zum Tragen kommen. Damit soll die Förderung eines nachhaltigen Konsums unterstützt und die Langlebigkeit von bestimmten Produktgruppen verbessert werden, um so die Menge an Elektroschrott und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren.
Welche Produkte sind von der Richtlinie betroffen?
Bisher sind Produkte erfasst, für die bereits EU-Rechtsvorschriften für Reparaturanforderungen definiert wurden. Dazu gehören beispielsweise:
- Haushaltsgeräte: Waschmaschinen, Geschirrspüler, Kühlschränke, Wäschetrockner;
- Elektronische Geräte: Smartphones, Tablets, Schnurlostelefone;
- Andere Alltagsprodukte wie Staubsauger und E-Bikes.
Eine Erweiterung der Liste der betroffenen Waren durch die EU-Kommission ist allerdings jederzeit möglich. Die Produkte müssen reparierbar sein und die Hersteller sind verpflichtet, Ersatzteile und Reparaturinformationen bereitzustellen. Es sind primär die Hersteller der Produkte, die zur Reparatur verpflichtet sind, in zweiter Linie allerdings auch die Bevollmächtigten des Herstellers, der Importeur sowie der Vertreiber.
Reparaturen über die Gewährleistungsfrist hinaus
Während die gesetzliche Pflicht zur Nachbesserung oder Nachlieferung mit Ablauf der gesetzlichen Gewährleistungsfrist bislang endete, sieht die neue Richtlinie vor, dass die Hersteller Reparaturen auch über die Gewährleistungsfrist hinaus anbieten müssen. Die Reparatur muss außerhalb der gesetzlichen Gewährleistung nicht kostenlos erfolgen, allerdings müssen die Reparaturkosten angemessen sein und die Verbraucher müssen vorab über die Kosten informiert werden. Unabhängig von der Reparaturverpflichtung des Herstellers sollen sich die Verbraucher an jeden Reparaturdienstleister ihrer Wahl wenden können. Im Rahmen der Reparaturen sollen auch generalüberholte Waren („refurbished“) zum Einsatz kommen
Darüber hinaus soll es eine europäische Onlineplattform für Reparaturen und überholte Waren geben. Dadurch soll die Vergleichbarkeit von Reparaturleistungen erhöht und der Wettbewerb gestärkt werden. Die fehlende Reparierbarkeit einer Sache soll in Zukunft einen Sachmangel begründen.
Wie ist der Zeitplan zur Umsetzung der Richtlinie?
Grundsätzlich müssen die Mitgliedsstaaten die Richtlinie innerhalb von 24 Monaten in nationales Recht umsetzen. Gegebenenfalls ist noch im Jahr 2024 mit einem ersten Entwurf für ein deutsches Reparaturgesetz durch das zuständige Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zu rechnen.
Nicht auszuschließen ist, dass die Richtlinie in Deutschland „überschießend“ umgesetzt wird – also Verpflichtungen enthält, die über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus gehen.
Mit welchen Auswirkungen der Richtlinie ist für die betroffenen Unternehmen zu rechnen?
Es ist bereits heute absehbar, dass die Hersteller der betroffenen Produkte in Zukunft sehr lange Ersatzteile bereithalten müssen, auch für bereits ausgelistete Produkte. Dieses Ersatzteilmanagement wird zweifellos Ressourcen binden und voraussichtlich zu einem Absatzrückgang bei Neuprodukten führen. Bei der Entwicklung neuer Produkte werden die Hersteller verpflichtet sein, darauf zu achten, dass die Produkte reparaturfreundlich sind – auch für unabhängige Werkstätten.
Welche Problemstellungen zeichnen sich ab?
Auch wenn die neue Richtlinie im Bereich Nachhaltigkeit sicherlich einige Weichen stellen wird, greift sie auch in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ein. Die Konsequenzen im Hinblick auf bürokratischen Aufwand, Ersatzteilmanagement und Umsatzerwartungen sind noch nicht genau abzusehen. Wir müssen außerdem abwarten, ob sich die Reparatur von bereits älteren Geräten für die Verbraucher auch tatsächlich rechnet – auch unter Berücksichtigung von Einsparungen im Energieverbrauch und allgemeinen Leistungssteigerungen bei neuen Produkten. Gerade im Bereich von Smartphones, Tablets u. ä. möchten die Konsumenten wohl nur ungern auf Produktinnovationen von weiterentwickelten, neuen Produkten verzichten.
Noch völlig unklar ist, wie sich eine Reparatur durch Dritte, gerade auch im Zusammenhang mit „Refurbished“-Waren, auf bestehende gewerbliche Schutzrechte der Hersteller auswirkt.
Welche Versicherungsaspekte gibt es zu beachten?
Während die versicherungsrelevanten Auswirkungen der Richtlinie für die Hersteller überschaubar sein dürften, rechnen wir mit erheblichen Auswirkungen im Hinblick auf den Haftpflicht-Versicherungsschutz der unabhängigen Werkstätten / Aufbereiter. Es ist naheliegend, dass diese in Zukunft haftungsrechtlich unmittelbar in der Produktverantwortung stehen. Auch das Risiko von Patentrechtsverletzungen und sonstigen Verstößen gegen das gewerbliche Schutzrecht dürfte für die Werkstätten nicht von der Hand zu weisen sein. Beides hätte unmittelbare Auswirkungen auf den Versicherungsschutz.
Wir werden die Umsetzung der EU-Richtlinie in Deutschland beobachten und den Versicherungsschutz unserer Kunden prüfen, um notwendige Anpassungen unmittelbar vornehmen zu können. Wir halten Sie auf dem Laufenden, sobald klar ist, wie die Richtlinie in deutsches Recht überführt wird.